Licht

Interview mit Hanjo Müller


In der Installation sind 64 aufleuchtende, quadratische Flächen unter den Füßen der Besucher zu sehen. Welche Hardware hast du verwendet und wie wird diese gesteuert?

Wir haben aus ungefähr hundert Metern LED-Stripes einzelne Segmente gebaut. Diese bestehen aus vier kurzen, nebeneinander angeordneten LED-Streifen, die jeweils als Gruppe ansteuerbar sind. Jedes der 64 LED-Segmente wird über ein Relais angesteuert, welches wiederum über einen Arduino geschaltet wird. Vier dieser Arduinos bilden die Steuerzentrale für alle Schaltsignale in UNTEN. Jeder Arduino ist direkt an einen Laptop angeschlossen, auf dem ein Pure-Data Patch als Treiber zur Verteilung der Lichtsignale läuft.

Eine Bodenprojektion mit Hilfe eines Beamers an der Decke hätte ein wesentlich höher aufgelöstes Bild auf dem Boden ergeben und dabei weniger Aufwand bedeutet. Warum die Mühe, LED-Stripes von Hand zu verdrahten – und welche Vorteile siehst du in dieser Form der visuellen Darstellung?

Dass ein höher aufgelöstes Bild zu bevorzugen ist, muss nicht zwingend der Fall sein. Dazu kommt, dass eine Projektion immer auch Schatten wirft und im schlechtesten Fall sogar einen sichtbaren Rahmen in Bereichen, die nicht bespielt werden sollen. Für eine Installation dieser Art ist meines Empfindens nach ein echtes, begehbares Display zu bevorzugen.
 

Gibt es einen Grund, warum ausschließlich kalt-weißes Licht zu sehen ist?

Bevor die Installation gebaut wurde, musste man sich auf eine Lichtfarbe einigen. Eine Bespielung mit wechselnden Farben war in der Kürze der Zeit und besonders durch die eingeschränkten, finanziellen Mittel unrealistisch. Kalt-weißes Licht hat den Vorteil einer höheren Lichtausbeute und ist universeller einsetzbar.
 

Die Animationen auf dem Boden werden wie die Musik in Echtzeit generiert, sie zeigen also keine vorproduzierten Abläufe. Werden die Lichtsequenzen und die Musik unabhängig voneinander erzeugt oder gibt es Abhängigkeiten?

In dieser Version von UNTEN sind Licht und Ton separate Kompositionen, die auf einen gemeinsamen Takt laufen. Die einzelnen Stücke beeinflussen sich also nicht direkt gegenseitig, wurden aber als Einheit komponiert und laufen zu einem gemeinsamen Grundtakt.
 

Es gibt eindeutige Momente, in denen sich das Licht synchron zur Musik ändert. An anderen Stellen fällt es schwer, einen direkten, audiovisuellen Zusammenhang zu erkennen. Wie wurden die Echtzeit-Sequenzen komponiert?

Licht und Ton laufen zwar auf demselben Grundtakt, sind aber durch ihre generative Natur nicht vollkommen vorhersagbar. Besonders im musikalischen Teil von UNTEN gibt es Zufalls- und Abhängigkeitsketten, die nicht endgültig vorhersagbar sind und in dieser Variante der Licht-Sequenzen noch nicht berücksichtigt werden konnten.

Sowohl die Limitierung auf 64 einfarbige Pixel, als auch die Größe der Fläche, die die Besucher aus nächster Nähe zu sehen bekommen, lassen eine Darstellung von konkreten Motiven kaum zu. Gestalt und Form deuten sich lediglich an. Welche Rolle spielt diese Abstraktion?

Die Abstraktion – oder die Reduktion – erzeugt zwei Ebenen der Wahrnehmung. Die Wahrnehmung des Unten variiert stark, je nachdem ob man sich auf der Installation befindet oder sie von außen betrachtet. Man befindet sich durch die Größe der LED-Segmente auch nicht mehr in einer Position in der Formen die bestimmende Rolle spielen, sondern die Bewegungen und die einfache Anwesenheit oder Abwesenheit von Licht die dominierende Rolle übernehmen. Einen ähnlichen Effekt gibt es bei der Wahrnehmung der Bewegung und der Tiefe im Ton, die erst bei Betreten von UNTEN richtig erfahrbar werden. Es erschien stimmig einen korrespondierenden Effekt für die visuelle Komponente zu finden.
 

Wie schätzt du die Wirkung von visuellen Reizen von unten ein?

Ich glaube, dass wir in einer Welt leben, in der visuelle Reize zwar omnipräsent sind, allerdings optimiert auf die beste „Konsumierbarkeit“. Die Leinwand unter den Betrachter zu legen, bricht mit der Idee, dass eine komplette Sichtbarkeit des Werkes ermöglicht werden muss. Dazu eignet sich die Darstellung von Bewegungen unter unseren Füßen, Irritationen zu erzeugen. Der interessierte Betrachter muss entweder eine sehr viel höhere Aufmerksamkeit aufbringen oder sich „fallen lassen“ und mit dem, was zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort gerade erfahrbar wird, auseinandersetzen.